Die Übertragung der Staatsgewalt
an Privatleute
Das Geheimnis steckt, das
wisst ihr schon, in den Zinsen.
Die Zinsen sind die
auskristallisierte, reale,
handgreifliche Form der Basisidee
unseres Systems:
dass das Geld nämlich Geld
gebärt.
Aufgrund
der Tatsache, dass er Geld besitzt, was er nicht
braucht und es daher verleiht, hat der Geldbesitzer
das Recht, im Laufe der Zeit immer mehr Geld zu haben,
ohne dafür arbeiten zu müssen.
Andere werden für ihn arbeiten.
Und an den Zinsen natürlich
liegt es,
dass
die Schulden immer wachsen, so dass ihre
Tilgung nicht mehr möglich ist.
Da
es sich bei der Staatsverschuldung um langfristige
Darlehen handelt, steigen die Zinsen auf enorme Höhe.
Nach etlichen Jahren steigen
die Schulden auf das Mehrfache der anfangs geliehenen Summe.
Wenn
zum Beispiel Griechenland im Jahr 1981 ein dreißigjähriges
Darlehen mit einem Zinssatz von 17 % (was für die damalige Zeit in
Drachmen realistisch war) abgeschlossen hätte, würde es heute etwa
das Hundertfache der damals geliehenen Geldmenge schulden.
Die Schulden können
nicht mehr abbezahlt werden,
und
der Staat gerät immermehr in die Verpflichtung,
den Beschlüssen seiner Gläubiger folgen zu müssen.
Wenn du verschuldet bist, und mit
jedem Jahr
wachsen deine Schulden weiter, kannst du nicht den Luxus verlangen,
die Beschlüsse selbst zu fassen.
Die
Beschlüsse wird dein Gläubiger treffen, und du hast bloß sie gehorsam
zu befolgen. Sonst weißt du schon, was dich erwartet. Beim kleinsten
Ungehorsam wird er dir den Kredit sperren, und du brichst zusammen.
Ist es nicht lustig?
Die wahre Macht, die hat
nicht der Staat.
Die
hat sein Gläubiger. Er trifft die Entscheidungen,
und der Staat ist verpflichtet sie auszuführen.
Die
zweite Frage, wohin nämlich diese Geschichte mit der Staatsverschuldung
führen wird, ist ebenfalls leicht zu beantworten:
Die Schulden werden weiterhin steigen.
So wie alle anderen wichtigen
Größen unserer Welt ständig explosiv wachsen:
·
Wachstum der
Bevölkerung,
·
Wachstum der
Umweltbelastung,
· Wachstum des gehorteten Reichtums, so
·
werden auch
die Staatsschulden weiter wachsen.
So wie wir alle anderen Explosionen
haben,
so haben wir auch die Explosion der Staatsverschuldung.
Die Explosion ist
überall festzustellen, da sie zur Natur unseres Systems gehört.
Wenn
jemand so naiv wäre zu glauben, dass die Staaten
eines Tages ihre Schulden abbezahlen würden, um
unabhängig von ihren Gläubigern zu werden, braucht er bloß
einen Blick in den Haushaltsplan irgendeines Staates zu werfen,
um die Wahrheit zu erfahren.
Das was geplant ist, und das
worüber die zuständigen Minister bangen,
ist nicht wie sie die Schulden abbezahlen (das haben sie schon längst
aufgegeben), sondern wo sie die nötigen Kredite für das kommende Jahr
finden werden.
Und das allerlustigste ist,
dass sie alle uns die Ahnungslosen
und
die Erstaunten vorspielen:
‒
Uns hat urplötzlich das Unheil getroffen.
Während alles wunderbar lief, kam plötzlich die Krise.
Völlig unerwartet.
Wir wissen gar nicht, wer sie verursacht hat.
Wir müssen jedoch die Schulden zahlen.
Deswegen sind wir verpflichtet, einige außerordentliche Maßnahmen
zu ergreifen.
Wir werden die Gehälter und die Renten kürzen.
Außerordentlich, so wie die Krise außerordentlich war.
Bravo, Außerordentlich!
·
Als ihr das
Darlehen aufgenommen habt, das (nachdem einige
von euren Leuten es zum Teil in die eigene Tasche gesteckt haben)
ihr verjubelt habt, wusstet ihr nicht, dass wir es nach dreißig Jahren
auf das Hundertfache zahlen mussten?
·
Die Papiere,
die ihr damals unterschrieben habt, habt ihr sie nicht gelesen?
·
Die
Berechnung mit Zinseszinsen hat man sie euch in der Volksschule
nicht beigebracht?
·
War es nicht
ganz sicher, dass die Banken unser Geld nehmen würden?
(Nicht ihr Geld, sondern unser Geld, denn sie gaben uns damals Tausend
und nehmen uns jetzt hundert Tausend
ab).
·
Welches ist
das außerordentliche Ereignis, das euch das Recht gibt
außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen?
·
War die Krise
des Kapitalismus nicht absolut vorhersehbar mit den
einfachen Gedanken, die wir im Kapitel "Ein
ernster Spaß"
aufstellten?
Aber, wo führt das hin?
Werden sich die Staaten immer mehr an einigen
wenigen Privatleuten verschulden?
Und werden diese Leute immer mehr Macht
gegenüber dem Staat besitzen?
Wird sich die Verfügungsgewalt
des Staates immer mehr
an die Kapitalbesitzenden Privatleute übertragen?