Eine bequeme aber
verdächtige Ausrede
Wer hat uns beigebracht, dass wir die Moneten horten
müssen, und es als selbstverständlich und
rechtmäßig erachten, dass sie von alleine wachsen und sich vermehren
sollen?
Vielleicht würde mir jemand
entgegnen, dass
es nicht nötig ist, Schuldige aufzuspüren und
Erklärungen in finsteren Verschwörungen und
Geheimorganisationen zu suchen.
‒
Die Sache ist
offensichtlich, sonnenklar und ganz
einfach: Niemand verursacht mit Vorsatz dies alles,
es kommt von alleine zustande. Alles ist unserer
angeborenen Habgier zuzuschreiben. Wir sind von
Natur aus habgierig und unersättlich.
Dies erklärt alles.
Nun, hier werde ich nicht
einverstanden sein.
Diese
Ausrede kommt mir viel zu leicht, viel zu
bequem und daher recht verdächtig vor.
Sie kann nur deswegen erfunden sein, um uns
irrezuführen.
Es ist nicht nur, dass ich nicht einverstanden bin,
sondern ich will noch gegen diese Meinung
schärfstens protestieren.
Ich halte sie nicht nur für falsch,
sondern für äußerst gefährlich.
Wir sagen nicht:
die gemeine,
die unmoralische,
die menschenunwürdige Habgier.
Wir sagen:
die angeborene.
Das ist das Alibi!
‒
Was
können wir tun? Sie ist angeboren.
Was wollt ihr denn, etwa, dass ich meine
Natur verändere? Wie ich mein Rückgrat
nicht ablegen kann, genauso kann ich mich
meiner angeborenen Habgier nicht entledigen.
Eine sehr schöne
Ausrede, in der Tat! Sie rechtfertigt sowohl die Habgier, wie alle Verbrechen,
die aus ihr herrühren.
Ihr würdet mir natürlich
sagen, dass wir es nicht leugnen können,
dass sie angeboren sei, da sie ebenfalls auch bei den Hunden
(in geringerem Grad allerdings) und den Kleinkindern vorkommt.
Da habt ihr Recht. Wir tragen in uns
solche Eigenschaften, die
zersetzend für die Gesellschaft sind. So wie die Eifersucht zum
Beispiel, die ebenfalls auch bei den Hunden und den Kleinkindern
vorkommt.
Sind es aber unsere einzigen Eigenschaften?
Andere angeborene Eigenschaften, welche die
Gesellschaft zusammenhalten, haben wir die denn nicht?
Instinkte der Liebe, der Kameradschaft,
der Solidarität,
des Altruismus, gibt es sie nicht?
Sagt mir bitte nicht,
dass dies alles die Moralisten ausgedacht haben, denn
diese Instinkte, die haben auch die Hunde und die Kleinkinder.
Muss aber unser Verhalten ausschließlich auf dem
Niveau
der Kleinkinder und der Hunde bleiben?
Haben wir denn nicht bewiesen, dass wir
Menschen zu
etwas mehr fähig sind? Haben wir denn nicht bewiesen,
dass wir diese negativen primitiven Eigenschaften durch
die allgemeine Missbilligung zügeln können? Und zugleich
die positiven, die Gesellschaft fördernden Eigenschaften
durch hervorheben und kultivieren weiter verstärken können?
Und da wir in der Phase der Proteste sind, möchte
ich gegen noch etwas protestieren.
Es gibt ein lateinisches Sprichwort, das
besagt:
Homo homini lupus
(der Mensch ist des Menschen Wolf).
Der erste Grund meines Protestes ist die bodenlose
Ignoranz, dessen, der es gesagt hat, in Bezug auf das gesellschaftliche
Verhalten des Wolfes.
Der Wolf ist ein beispielhaft und beneidenswert
gesellschaftliches Tier, das eine unglaubliche
Fürsorge und Zärtlichkeit für die anderen Genossen
seiner Herde zeigt.
Gut wäre es, wenn wir uns zu
einander so verhalten
würden wie die Wölfe.
Der zweite Grund meines Protestes ist schwerwiegender.
Ist es aber nicht wahr?
Zeigen wir nicht oft feindliches Benehmen
zu einander?
Es ist schon wahr.
Es ist aber nur eine Teilwahrheit, eine
Teilansicht der Wahrheit.
Wir haben schon, wie alle anderen Tiere, unter unseren übrigen
Instinkten auch den Instinkt der Aggressivität gegenüber Individuen
der gleichen Art.
Ein Instinkt, der sich auf die Verteidigung
des Überlebensraumes
bezieht. Auch der Wolf wird ihm seine Zähne zeigen, wenn in
seinem Revier einer aus einem fremden Rudel erscheint.
Haben wir aber diesen
Instinkt immer noch nötig? Hängt unser Überleben davon ab?
Oder wird unsere Existenz im Gegenteil
gerade dadurch bedroht
(und das ist die einzige Bedrohung!),
weil wir einen Instinkt, der
seine Nützlichkeit verloren hat und nun nur mehr als Perversion zu
betrachten ist, aufrechterhalten und weiter pflegen?
Und es soll derjenige mit seinem:
‒
"Weißt
du, es liegt in meiner Natur, es ist wie meine Wirbelsäule"
nicht wieder damit anfangen.
Denn wir wären dann gezwungen, ihn
daran zu erinnern,
dass er auch einen Teil seiner Wirbelsäule, seinen Schwanz,
schon abgelegt hat. Er hat ihn verkommen lassen, als er
feststellte, dass er ihn nicht mehr brauchte, und er ihn in
seinen Bewegungen hinderte.
Wir haben nicht nur diesen Instinkt, wir Menschen.
Wir haben, genauso wie die
Wölfe, ebenfalls Instinkte
der Solidarität,
der Kameradschaft,
der Liebe
gegenüber den anderen
Menschen.
Und wir
sollten gerade diese Instinkte hervorheben und betonen,
denn an dem Punkt an dem wir jetzt angekommen sind,
hängt unser Überleben ausschließlich von deren Pflege ab.