Ein neuzeitliches Beispiel
Erlaubt mir nun bitte,
über eine persönliche
Erfahrung aus
der modernen Zeit zu berichten.
Ich glaube,
dass oft ein konkretes Beispiel viel
mehr
als eine langatmige Analyse aussagt.
Vor einigen Jahren arbeitete ich für einige Zeit
in einem Institut einer kleinen
Universitätsstadt in Deutschland.
Jeden Morgen fuhr ich mit dem Auto, das
ich aus Griechenland
mitgebracht hatte, in das Institut und war sehr froh im Hof immer
einen Parkplatz zu finden, weil dort nur wenige Autos standen
(von Mitarbeitern, die mehrere Kilometer entfernt wohnten,
wie ich später erfuhr).
Fahrräder gab es enorm viele,
die nehmen aber sehr wenig Platz in
Anspruch.
Nach einigen Tagen
näherte sich mir einer der neuen
Freunde,
die ich dort gefunden hatte und sagte mir:
‒
"Ich
kann es verstehen, dass du dein Fahrrad nicht aus Griechenland
mitschleppen konntest, und für die kurze Zeit, die du hier bleibst, lohnt
es sich nicht, ein neues zu kaufen. Wir haben im Keller das Fahrrad
unseres Sohnes, der jetzt in einer anderen Stadt wohnt. Das könntest
du haben, wenn du willst".
Was war passiert?
In der Gesellschaft der kleinen Stadt,
und noch strenger in der
Gesellschaft der Universität, herrschte die Ansicht, dass man
der Umwelt zuliebe die Verwendung des Autos nach Möglichkeit
meiden sollte.
Deswegen kamen Studenten und Professoren,
Junge und Alte, von den Putzfrauen bis
zu den Direktoren,
jeden Tag auch im Winter bei Schnee und Eis, bei Temperaturen
weit unter dem Gefrierpunkt, mit den Fahrrädern.
Aus dieser
Schmach hat mich mein
Freund zu retten versucht.
Und noch etwas.
Auf den deutschen Autobahnen gibt es
keine allgemeine
Geschwindigkeitsbegrenzung. Wenn dein Auto
fahren kann (und die meisten Autos können das) oder
250 km/h, wird dir kein Polizist etwas sagen.
Wenn du aber von
diesem kleinen Kreis der Institutsangehörigen
akzeptiert
werden willst, dann ist es eine große Schande mit mehr
als
dadurch enorm an.
Und die meisten Institutsleute
(so wie die, die es ihnen nachmachen
wollen)
gehorchen diesem ungeschriebenen Gesetz.
So groß ist die Macht der öffentlichen Meinung
unter Leuten, die miteinander bekannt
sind, und auf diese
Macht könnte sich eine schwache Person stützen, um die
Verschwendung zu beschränken.
Und ich glaube nicht, dies sei nur unter Akademikern
möglich.
Es könnten auch die
Bienenzüchter, oder die Dachdecker,
oder die "Freunde des Werder Bremen" sein.
Jede Menschengruppe, wo jeder jeden
kennt, hat ihre
ungeschriebenen moralischen Regeln, an die sich die
Mitglieder getreulich halten.
Bevor wir dieses Kapitel abschließen,
glaube ich, dass es richtig wäre,
euch etwas in Erinnerung zu
rufen, das mit der Selbstbegrenzung und der Scham zu tun hat.
Vor einiger Zeit, haben alle Länder der Welt
das "Kiotoprotokoll" unterschrieben,
wonach sie sich selbst verpflichten,
den Ausstoß der "Treibhausgase" (vornehmlich des CO2)
um eine
bestimmte Prozentzahl in einer konkreten Zeitspanne zu verringern.
Alle Länder haben unterschrieben.
Alle, bis auf eins.
Die USA haben sich geweigert zu unterschreiben.
Die USA, die mit Abstand der
Hauptverantwortliche
für die erhöhten CO2 – Emissionen sind.
Sie haben nicht unterschrieben
und haben sich dafür nicht geschämt.
"Ich schäme mich, ein Amerikaner zu sein",
sagte mir ein Freund.
Ich höre,
dass in letzter Zeit die USA-Regierung
von der Tatsache beunruhigt wird, dass
immer
mehr Amerikaner sich
aus diesem Grund schämen.